GEGEN ZWANGSHEIRAT
Was ist Zwangsheirat?
Bei Zwangsheirat geht es um Ehen, die ohne Einwilligung beider Partner*innen geschlossen werden. In vielen Fällen trifft die Familie die Auswahl des/der zukünftigen Partner*in, bei der die Betroffenen kein Mitspracherecht haben.
International stellt Zwangsheirat eine Verletzung der Menschen- und Frauenrechte und im Falle von der Verheiratung von Minderjährigen, auch der Kinderrechte, dar: „Eine Ehe darf nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden" (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 16, Absatz 2).
Zwangsheirat ist entgegen eines weit verbreiteten Missverständnisses nicht an bestimmte Religionen oder Kulturen gebunden. Die Praxis wird aufgrund von Traditionen durchgeführt, die unabhängig von ethnischer Herkunft, Kultur oder Religion sind.
Mädchen und Frauen, die sich gegen Zwangsheirat wehren, brauchen viel Mut, sich den Vorstellungen ihrer Familie zu widersetzen und gleichzeitig einen möglichen Kontaktabbruch zur Familie zu riskieren. Mithilfe von Aufklärung über ihre Rechte und der Unterstützung dabei, wichtige Informationen und Chancen zu bekommen, können Betroffene ihre Situation selbst in die Hand nehmen.
Zwangsheirat ist eine Gewaltform!
Zwangsheirat ist als Gewalt zu betrachten. Sie stellt eine Gewaltform dar, die vor allem gegen Frauen gerichtet ist (auch Männer sind von Zwangsheirat betroffen, allerdings ist die Anzahl der Männer, die Opfer von Zwangsheirat werden, weitaus geringer als die Anzahl der betroffenen Frauen). Wer unter Zwang heiratet, sucht sich seine/n Partner*in nicht selbst aus. Stattdessen bestimmt die Familie, wer wen heiratet. Die Betroffenen müssen gegen ihren Willen einen oft unbekannten Menschen heiraten. Zwangsheirat bedeutet für junge Frauen gleichzeitig von verschiedenen Gewaltformen betroffen zu sein:
Zwangsheirat & Nötigung: Durch eine Zwangsheirat werden Mädchen und junge Frauen dazu genötigt, einen von der Familie ausgesuchten Mann zu heiraten. Durch eine solche Nötigung wird die Ehe meist gegen den Willen von vielen Mädchen und junge Frauen geschlossen.
Zwangsheirat & Verschleppung, Freiheitsberaubung: Eine erzwungene Ehe wird in der Regel in den Herkunftsländern geschlossen. Es ist dringend notwendig, bedrohte Mädchen und junge Frauen noch während sie in Österreich sind, zu erreichen und aufzufangen, weil hier durch die vorhandenen Ressourcen ein breiteres Handlungsfeld besteht.
Mitunter werden Mädchen und junge Frauen, die sich gegen eine solche Ehe stellen, unter falschen Vorwänden ins Ausland gebracht oder auch verschleppt. Sie werden dort oftmals bis zur Hochzeit (oder darüber hinaus) eingesperrt.
Zwangsheirat & sexualisierte Gewalt: Mädchen und junge Frauen, die eine Ehe durch Nötigung der Familienmitglieder eingehen müssen, werden auch in den meisten Fällen dazu gezwungen die Ehe – in Form von Geschlechtsverkehr – zu vollziehen. Wenn sie dies ablehnen und/oder sich weigern, werden sie häufig vergewaltigt. Diese Vergewaltigung findet mit Einwilligung der Familienmitglieder statt. Situationen, wie diese führen bei betroffenen Frauen zu schweren Traumatisierungen und es bedarf an besonderer psychologischer Betreuung, um Erlebtes verarbeiten zu können.
Zwangsheirat & Körperverletzung: Viele bedrohte weibliche Personen sind sich über die Folgen einer Zwangsheirat bewusst und wehren sich dagegen. Oftmals versuchen Familien hingegen um jeden Preis ihr, für die Heirat gegebenes, Versprechen zu halten, in dem sie ihre Töchter unter Druck setzen, damit in die Ehe eingegangen wird. Neben massiver psychischer Gewalt sind sie auch vermehrt körperlicher Gewalt ausgesetzt. Auch der Versuch sich Unterstützung zu holen, kann für Klientinnen körperliche Gewalt zur Folge haben.
Zwangsheirat und „arrangierte Ehe“
Die Grenze zwischen Zwangsheirat und sogenannten „arrangierten Ehen“ ist sehr schmal – um die Begriffe jedoch zu unterscheiden, verwenden wir folgende Definition:
"Eine 'arrangierte Ehe' wird mit der ausdrücklichen und freiwilligen Zustimmung bzw. auf Wunsch beider Eheleute arrangiert. Wenn die ausdrückliche Zustimmung beider Personen bei der Eheschließung nicht gegeben ist bzw. keine Möglichkeit zur Ablehnung gegeben ist, wird eine 'arrangierte Ehe' zur Zwangsheirat."
Zwangsheirat verstößt gegen mehrere Grundrechte:
Eine Ehe darf nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden.
(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 16, Absatz 2)
Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten. (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 4)
Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 5)
Rechtliches
Eine rechtliche Verankerung der Bekämpfung von Zwangsheirat kann die Praxis einschränken, jedoch oftmals nicht gänzlich beseitigen. Da Zwangsheirat in vielen Ländern der Welt, auch in Österreich, eine Lebensrealität für viele Frauen und Mädchen darstellt, ist es wichtig sich auf weiteren Ebenen aktiv gegen Zwangsverheiratung einzusetzen. Dies kann in Form von Sensibilisierung, Präventionsarbeit und leicht zugänglichen Informationen über Schutzmaßnahmen und Rechte stattfinden.
Es gibt rechtliche Rahmenbedingungen, welche bei der Beratung und Betreuung der Zielgruppe unterstützende Möglichkeiten anbieten. Bei Hilfeleistung für eine Bedrohte / Betroffene, ist es notwendig, unten angeführte rechtliche Maßnahmen zu kennen und anzuwenden, um eine effiziente und nachhaltige Unterstützung gewährleisten zu können. Anzumerken ist, dass eine effiziente Vernetzung der jeweils zuständigen Institutionen unentbehrlich ist. Es folgt ein Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen bei der Arbeit mit Bedrohten / Betroffenen von Zwangsheirat.
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 105 Nötigung
(1) Wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet.
§ 106a Zwangsheirat
(1) Wer eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung oder Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte zur Eheschließung oder zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Person in der Absicht, dass sie in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zur Eheschließung oder zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft gezwungen werde (Abs. 1), durch Täuschung über dieses Vorhaben verleitet oder mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung oder Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte nötigt, sich in einen anderen Staat zu begeben, oder sie mit Gewalt oder unter Ausnützung ihres Irrtums über dieses Vorhaben in einen anderen Staat befördert.
(3) § 106 Abs. 2 gilt sinngemäß.
§107 Gefährliche Drohung
(1) Wer einen anderen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer eine gefährliche Drohung begeht, indem er mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht oder den Bedrohten oder einen anderen, gegen den sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(3) In den im § 106 Abs. 2 genannten Fällen ist die dort vorgesehene Strafe zu verhängen.
(Anm.:Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 56/2006)
Sicherheitspolizeigesetz - BGBl. Nr. 566/1991
§ 25 sicherheitspolizeiliche Beratung
(1) Den Sicherheitsbehörden obliegt zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit und Vermögen von Menschen die Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen, sich über eine Bedrohung seiner Rechtsgüter Kenntnis zu verschaffen und Angriffen entsprechend vorzubeugen. Zu diesem Zweck können die Sicherheitsbehörden Plattformen auf regionaler Ebene unter Beiziehung von Menschen, die an der Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Interesse mitwirken, einrichten, in deren Rahmen erforderliche Maßnahmen erarbeitet und koordiniert werden (Sicherheitsforen).
(2) Darüber hinaus obliegt es den Sicherheitsbehörden, Vorhaben, die der Vorbeugung gefährlicher Angriffe auf Leben, Gesundheit oder Vermögen von Menschen dienen, zu fördern.
(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen vertraglich damit zu beauftragen, Menschen, die von Gewalt einschließlich beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB) bedroht sind, zum Zwecke ihrer Beratung und immateriellen Unterstützung anzusprechen (Interventionsstellen). Sofern eine solche Opferschutzeinrichtung überwiegend der Beratung und Unterstützung von Frauen dient, ist der Vertrag gemeinsam mit dem Bundesminister für Gesundheit und Frauen abzuschließen, sofern eine solche Einrichtung überwiegend der Beratung und Unterstützung von Kindern dient, gemeinsam mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.
Jugendwohlfahrtsgesetz – BGBl. Nr. 161/1989, Änderung BGBl. I Nr. 69/2013
Erziehungshilfen gegen den Willen der Erziehungsberechtigten
§ 30. Stimmen die Erziehungsberechtigten einer notwendigen Erziehungshilfe nicht zu, so hat der Jugendwohlfahrtsträger das zur Wahrung des Wohles des Minderjährigen Erforderliche zu veranlassen.
Sowie § 26, 28 und 29 JWG.
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
Entziehung oder Einschränkung der Obsorge
§ 181
(1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
(2) Solche Verfügungen können von einem Elternteil, etwa wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, den sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem Kinder- und Jugendhilfeträger und dem mündigen Minderjährigen, von diesem jedoch nur in Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen können solche Verfügungen anregen.
(3) Die gänzliche oder teilweise Entziehung der Pflege und Erziehung oder der Verwaltung des Vermögens des Kindes schließt die Entziehung der gesetzlichen Vertretung in dem jeweiligen Bereich mit ein; die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen kann für sich allein entzogen werden, wenn die Eltern oder der betreffende Elternteil ihre übrigen Pflichten erfüllen.
(4) Fordert das Gesetz die Einwilligung oder Zustimmung der mit Pflege und Erziehung betrauten Personen (Erziehungsberechtigten), so ist die Erklärung der mit der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich betrauten Person notwendig, aber auch hinreichend, sofern nicht Abweichendes bestimmt ist.
§ 30a NAG Zwangsehe und Zwangspartnerschaft
Wurde eine Person gezwungen, gegen ihren Willen eine Ehe zu schließen oder eine eingetragene Partnerschaft zu begründen, kann sich keiner der Ehegatten oder eingetragenen Partner für die Erteilung und Beibehaltung eines Aufenthaltstitels oder den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen. § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gilt.
Folgen von Zwangsheirat
Zwangsheirat ist eine Form der Gewalt, die in den meisten Fällen gegen junge Frauen und Mädchen gerichtet ist und eine Vielzahl an psychischen und physischen Folgen hat:
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sexuelle und psychische Gewalt
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Einschränkung der Lebens- und Bildungsperspektiven, z.B. Abbruch der Schul- oder Berufsausbildung
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Einschränkung der persönlichen Freiheit
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keine Mitsprache an der Familienplanung (z.B. kein Zugang zu Verhütungsmitteln)
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Gefährdung der eigenen psychischen und physischen Gesundheit (z.B. Frühschwangerschaft, Depression, Suizidgedanken, körperliche Gewalt)
Motive für Zwangsheirat
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Kontrolle der Sexualität (Jungfräulichkeit, Promiskuität, unerwünschte sexuelle Orientierung)
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Kontrolle unerwünschten Verhaltens (Alkohol- und Drogenkonsum, anderer Lebensstil)
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Aufrechterhaltung der Beziehung zum Herkunftsland
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Wirtschaftliche Gründe (Abwendung von Armut, materielle Absicherung)
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Erlangung und Behalten eines Aufenthaltstitels
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Schutz der Familien“ehre“
GEGEN VERSCHLEPPUNG
WAS IST VERSCHLEPPUNG?
Wir sprechen von „Verschleppung“, wenn eine Person von der eigenen Familie gegen ihren Willen ins Ausland gebracht bzw. daran gehindert wird, aus dem Ausland wieder nach Österreich zurückzukehren. Manche Betroffene reisen zunächst „freiwillig“ mit und stellen erst im Ausland fest, dass sie nicht mehr zurückkehren können. Wir sprechen von einer „Zwangsheirat“, wenn die Verheiratung gegen den Willen mindestens einer der beiden Personen geschieht. Wenn also die Braut, der Bräutigam oder beide zur Ehe gezwungen werden. Die Gewaltformen Verschleppung und Zwangsheirat treten oft – aber nicht immer – zusammen auf. Verschleppte Personen sind gefährdet, auch zwangsverheiratet zu werden und umgekehrt. Größtenteils sind Mädchen und Frauen von Verschleppung bzw. Zwangsheirat betroffen – aber auch Burschen und Männer.
WER WIRD VERSCHLEPPt?
Eine Verschleppung erfolgt u.A. mittels
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Ausübung körperlicher Gewalt,
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Drohung,
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Einsperren,
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Abnahme von Geld und Reisedokumenten,
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emotionalem, psychischen Druck oder
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Vortäuschung falscher Tatsachen (z.B. Urlaubsreise, Familienfeste, Krankheit von geliebten Verwandten im Ausland).
Die/Der Betroffene wird stark kontrolliert und isoliert. Die Kontaktaufnahme nach außen ist nicht oder sehr eingeschränkt möglich. Strukturelle Rahmenbedingungen wie Fremden- und Asylrecht in Österreich, Rechtslage im Ausland usw. stellen weitere Hindernisse bei der Rückkehr dar.
Verschleppung von Jugendlichen/jungen Menschen
Der häufigste Grund für eine Verschleppung von Jugendlichen/jungen Menschen ist, dass die Eltern oder andere Familienangehörige vermuten (oder wissen), dass ihre Tochter/ihr Sohn nicht nach den Vorstellungen der Eltern oder der Familie lebt, z.B. eine/n Freund*in hat, mit Freund*innen ausgeht, sich nicht wie gewünscht kleidet oder eine geplante Zwangsheirat verweigert. Das Umfeld in Österreich wird als Grund dafür gesehen, dass das Kind vom „richtigen Weg“ abgekommen ist. Außerdem wissen die Familienangehörigen, dass die/der Betroffene in Österreich mehr Möglichkeiten hat, sich Hilfe zu suchen. Bei den Verwandten im Ausland soll das Kind zu der als „richtig“ angesehenen Lebensweise, in vielen Fällen auch zu einer Heirat, gezwungen werden.
Verschleppung von erwachsenen Frauen
mit dem Ziel diese gegen ihren Willen zu verheiraten oder eine Liebesheirat im Aufenthaltsland zu verhindern.
Verschleppung von erwachsenen Frauen durch den Ehemann im Kontext von häuslicher Gewalt
Die Frau wird unter einem Vorwand (Urlaub, Besuch der Familie im Heimatland, Todesfall, etc.) durch den Ehemann in ein anderes Land (meist das Heimatland des Mannes) gelockt und dann an der Rückkehr in das Land gehindert, in dem sie zuletzt gelebt hat und weiterhin leben möchte. Ihr werden mittels körperlicher Gewalt und/oder unter Drohungen Dokumente, Geld und elektronische Kommunikationsmittel abgenommen. Der Mann kehrt meistens in das Ursprungsland zurück und lässt die Frau gegen ihren Willen bei seiner oder ihrer eigenen Familie zurück. Sehr oft wird die Frau dabei auch von ihren Kindern getrennt.
Besondere Gruppe „Minderjährige“
Obsorgeberechtigte haben zwar das „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ über ihre Kinder – allerdings nicht, wenn dadurch das Kindeswohl gefährdet ist. Wenn ein/e Minderjährige*r gegen ihren/seinen Willen ins Ausland gebracht wurde oder werden soll, ist daher zu prüfen, ob es sich um eine Verschleppung oder Zwangsheirat handelt und ob das Kindeswohl gefährdet ist. Wenn Sie die Vermutung haben, dass Minderjährige von Verschleppung oder Zwangsheirat bedroht sind, melden Sie dies dem zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger.
Besondere Gruppe „Drittstaatsangehörige“
Wenn Drittstaatsangehörige verschleppt werden, sind die strukturellen, rechtlichen Hürden für eine Rückkehr nach Österreich sehr viel höher – eine intensive Unterstützung ist daher umso wichtiger! Die Betroffenen haben ihren Lebensmittelpunkt meist in Österreich und sind im Ausland gefährdet, weiterer Gewalt ausgesetzt zu sein.
Was kann ich tun..
..wenn ich befürchte, dass jemand verschleppt wird?
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Bieten Sie ein vertrauliches Gespräch an (Ausnahme: wenn Sie Meldepflicht bei Minderjährigen haben, dann diese im Vorhinein darüber aufklären). Schaffen Sie Zeit und Raum für ein ungestörtes Gespräch.
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Raten Sie unbedingt von einer Ausreise ab und machen Sie deutlich, dass eine Rückkehr selbst mit Unterstützung des Außenministeriums und Konsulats in manchen Fällen unmöglich ist! (Besprechen Sie, welche Gründe helfen könnten, dass die betroffene Person nicht ausreist, wie zB ein Verbot der Schule gegen eine Ausreise)
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Klären Sie den individuellen Fall durch Einholung von rechtlichen Auskünften, z.B. Polizei, Kinder- und Jugendhilfeträger oder (spezialisierten) Anlaufstellen ab.
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Sicherheitsmaßnahmen durchgehen:
Fordern Sie die bedrohte Person auf, die Reisedokumente bei einer Vertrauensperson abzulegen.
Kopieren Sie wichtige Dokumente (v.a. Reisepass).
Notieren Sie genaue Adresse(n) von möglichen Aufenthaltsorten im Ausland.
Ein vor der Familie geheimes Handy mit ausreichendem Guthaben muss angeschafft werden.
Holen Sie eine formlose Erklärung von der bedrohten Person ein: Diese ermöglicht Ihnen einen breiteren Handlungsspielraum. Die Erklärung soll möglichst viele Informationen der bedrohten Person beinhalten. In dieser erklärt die bedrohte Person ihren Willen und ihr Einverständnis, dass alles für eine Kontaktaufnahme mit ihr und ihre Rückholung getan wird, wenn sie bis zu einem (von ihr) angegebenen Zeitpunkt nicht zurück ist, da sie in diesem Fall an ihrer Rückreise gehindert wird.
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Die betroffene Person sollte die Notfallnummern auswendig lernen (Bundesministerium für Äußeres bei Notfällen im Ausland/ Frauenhelpline im Inland rund um die Uhr erreichbar - Kontaktnummern siehe unten).
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Besprechen Sie bei Bedarf die Möglichkeit einer geschützten Unterbringung.
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Falls Übersetzung notwendig ist: Bevorzugen Sie eine sensibilisierte, vertrauensvolle, neutrale, falls möglich weibliche Dolmetscherin. Keine Verwandten/Bekannten der Familie zum Dolmetschen beiziehen.
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Umgang mit Familie: Vermeiden Sie ein Gespräch mit den Eltern und jeglichen Familienangehörigen, wenn sie/er es nicht möchte, dies kann zu einer Eskalation der Situation führen!
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Wenn sie/er sich entscheidet trotzdem auszureisen, besprechen Sie gemeinsam die Sicherheitsmaßnahmen (s.o.).
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Falls die bedrohte Person kein Gespräch annehmen möchte, geben Sie Informationen über anonyme Beratungsmöglichkeiten (z.B. Online-Beratung Orient Express).
..Wenn eine Person bereits verschleppt wurde?
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Seien Sie AUFMERKSAM! Wenn ein Mädchen nach den Ferien nicht mehr zurückkommt oder von den Eltern einfach abgemeldet wird o.Ä.!
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Nehmen Sie Kontakt mit der Koordinationsstelle oder angegebenen Institutionen auf.
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Wenn Kontakt (per Telefon/ SMS/ Mail usw.) zur verschleppten Person besteht:
Holen Sie wichtige Infos ein (Vollständiger Name, Aufenthaltsort, Was ist passiert?).
Versprechen Sie nichts, vermitteln Sie jedoch Unterstützung und versuchen Sie, die Person mit allen Mitteln zurückzuholen.
Geben Sie die Informationen an Behörden weiter und klären Sie die weitere Vorgehensweise
Achten Sie auf die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen (Achtung bei Internetnutzung, Telefon usw.).
Nehmen Sie eventuell Kontakt zu örtlicher Frauenschutzeinrichtung und Kinder- und Jugendhilfeträger auf
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Wenn kein Kontakt mehr besteht und/oder der Aufenthaltsort unbekannt ist:
Üben Sie eventuell Druck auf die Eltern aus (unabhängig von dem Hilferuf, z.B. Schule/AMS erfindet Vorwand für Vorladung der Tochter).
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Klären Sie die weitere Unterbringung nach der Rückkehr (Verein Orient Express, Frauenhaus).
Kontakte
bei Verschleppung und Zwangsheirat:
Anlaufstelle für betroffene Mädchen und Frauen und allgemeine Informationen:
VEREIN ORIENT EXPRESS
Bundesweite Koordinationsstelle
gegen Verschleppung und Zwangsheirat
Telefon: 01/728 97 25
office@orientexpress-wien.com www.orientexpress-wien.com
DIVAN Frauenspezifische
Beratungsstelle für Migrantinnen
8020 Graz, Mariengasse 24
Telefon: 0676 880 157 44
divan@caritas-steiermark.at www.bit.ly/caritas_divan
Interventionsstellen/ Gewaltschutzzentren
in allen Bundesländern
Zusammenschluss
österreichischer Frauenhäuser
www.frauenhaeuser-zoef.at/ adressen.htm
Frauenhelpline gegen Gewalt
Telefon: 0800 222 555 (rund um die Uhr, kostenlos)
Weitere Kontakte
Beratungsstelle für Frauen
Vivenotgasse 53, 3. Stock 1120 Wien
Telefon: +43 1 51 23 839
www.frauenhaeuser-wien.at/ beratungsstelle.htm
Frauenservicestellen und weitere Frauen– und Mädchenberatungseinrichtungen
www.bmgf.gv.at/home/frauenservice
Bundesministerium für Europa,
Integration und Äußeres Bei Notfällen im Ausland
(rund um die Uhr, kostenlos)
Telefon : +43 1 90 115-4411
In Fällen von Menschenhandel
Interventionsstelle für Betroffene vom Frauenhandel
01/796 92 98
In Fällen von Kindesentziehung
durch einen Elternteil
Kinder und Jugendhilfe – Zuständigkeit je nach Bundesland
Wien: MAG11
Servicetelefon: 01/4000-8011 (Mo-Fr 08.00-18.00 Uhr)
Bundesministerium für Justiz
Anlaufstelle für betroffene
Burschen und MänneR
Dachverband Männerarbeit Österreich
www.dmoe-info.at/ueber_uns/ organisationen
Kinder-und Jugendanwaltschaften Österreichs